Landwirtschaft 4.0: Intelligente Ställe und sichere Traktoren
Drohnen, Sensoren und automatischen Pflanzenüberwachungs- und Managementsystemen: die Landwirtschaft erlebt einen enormen Wandel.
High-Tech-Ställe, in denen die gemolkene Milch sofort analysiert und das Wiederkäuen und die Bewegung einzelner Tiere kontrolliert wird, um eventuelle Krankheiten zu erkennen. Biogasanlagen, die aus der großen Menge an Gülle Energie gewinnen und in eine weniger umweltschädliche Substanz umwandeln. Hybrid-Traktoren, die bis zu 70 Prozent Hangneigung bewältigen können. Bewässerungssysteme, die aus der Ferne aktiviert werden, basierend auf Daten, die von fliegenden Sensoren über den Bedarf an Wasser und verschiedenen Düngemitteln gesammelt werden: All dies ist Landwirtschaft 4.0. Mit Drohnen, Sensoren und automatischen Pflanzenüberwachungs- und Managementsystemen hat die Landwirtschaft einen enormen Wandel erlebt. Gerade für ein Berggebiet wie Südtirol, das zum größten Teil über 1000 Höhenmetern liegt, ist die Entwicklung neuer Technologien in diesem Bereich eine große Herausforderung. Nicht zuletzt, weil in der Landwirtschaft über 20.000 Menschen tätig sind, was 7,8 Prozent der Bevölkerung entspricht, die eine Wertschöpfung von 895 Millionen Euro (4,5 Prozent der gesamten Wirtschaft) generieren. „Die Südtiroler Bauern organisieren Auslandsreisen, um die Best Practices anderer Länder zu studieren, arbeiten mit Forschungseinrichtungen und Institutionen bei der Entwicklung innovativer Technologien zusammen, aber vor allem haben sie die Nachhaltigkeit im Hinblick auf ihre Erben im Blick“, erklärt Fabrizio Mazzetto, Professor für Agrarmechanik an der Fakultät für Naturwissenschaften und Technik der Freien Universität Bozen Unibz. Ziel ist es, „für die Berglandwirtschaft eine Kette ähnlich der des Milchsektors zu schaffen“. Das bedeutet: So wie die Bauernhöfe Käse aus Viehfutter produzieren, so könnte auch das Mehl zum Brotbacken direkt vom Bauernhof produziert werden. Die Herausforderung besteht vor allem darin, Getreidearten auf Berghängen mit Neigungen zwischen 50 und 70 Prozent zu kultivieren, wo der herkömmliche Traktor nicht fahren kann. Das Projekt „BrotWeg – Die Brotroute im alpinen Raum“, das aus europäischen Mitteln im Rahmen des EFRE-Programms 2014-20 finanziert wird, soll die Probleme der Mechanisierung lösen, die den Anbau von Getreide im Hochgebirge blockieren. Die Anfrage kam von Sepp Gamper, Inhaber der Taseralm in Schenna. Gemeinsam mit den Landmaschinenherstellern Geier in Marling und Neuero Italiana Farm System in Meran wollen Unibz und Fraunhofer Geräte entwickeln, die es ermöglichen, Getreide in den Alpen anzubauen.
„Die Südtiroler Bauern organisieren Auslandsreisen, um die Best Practices anderer Länder zu studieren, arbeiten mit Forschungseinrichtungen und Institutionen bei der Entwicklung innovativer Technologien zusammen, aber vor allem haben sie die Nachhaltigkeit im Hinblick auf ihre Erben im Blick" Fabrizio Mazzetto
„Die Aufgabe der Agrarmechatronik, d.h. die Anwendung von mechanischen und Informationstechnologien auf Biosysteme wie Nutzpflanzen, Vieh und Wälder, besteht darin, Automatisierung, sehr schnelle Datenübertragung und große Datenmengen und die Interpretation dieser Daten zu integrieren“, erklärt Mazzetto. Zwischen 2011 und 2014 finanzierte die Südtiroler Landesverwaltung das Projekt MonaLisa, das von Unibz in Zusammenarbeit mit Laimburg, Eurac Research, IDM und der Universität Innsbruck sowie mit vier privaten Unternehmen – CISMA, Mountain-Eering, Mavtech und Territorium Online – im NOI Techpark in Bozen durchgeführt wurde. Zu den Ergebnissen des Projekts gehörte die Einrichtung eines mobilen Labors, das die Eigenschaften von Anbauflächen untersucht. Der große Mehrwert von MonaLisa ist ein riesiges Archiv von Umweltüberwachungsdaten, die von Satelliten (Schnee, Vegetation, Feuchtigkeit), Drohnen (Baumhöhe, Vegetationszustand auf kleinen land- und forstwirtschaftlichen Flächen) und Sensoren kommen, die in 27 Stationen und an Landmaschinen installiert sind. „Auf diese Weise kann die Qualität der Äpfel direkt mit den Umweltbedingungen abgeglichen werden, unter denen sie produziert wurden“, sagt Mazzetto, Koordinator der Unibz-Einheit im Rahmen des von Eurac koordinierten Projekts, an dem auch die Obstgenossenschaft VOG beteiligt war. Einige Unternehmen haben jedoch so spezifische Bedürfnisse, dass sie sich direkt an die IDM wenden, die mit ihrem Ökosystem Holz- und Landtechnik dafür verantwortlich ist, Unternehmen in Innovationsprozessen zu begleiten. So wurden die allradgetriebenen Elektrotransporter von Frucotec umweltfreundlich und mit sehr geringer akustischer Belastung für die Obsternte entwickelt. Die Idee kam Michael Lanpacher aus Naturns, der sich von den Frauen seiner Familie inspirieren ließ. „Die Erntearbeit ist oft hart, aber die Frauen wollten trotzdem mitarbeiten. Also versuchte ich, mir ein Gerät vorzustellen, das die Ernte für sie erleichtern könnte. Sobald ich die Idee durchdacht hatte, habe ich sie entworfen und entwickelt, bis Frucotec 2013 in Produktion ging“, sagt Lanpacher. Seitdem hat Frucotec durchschnittlich 80 Stück pro Jahr verkauft, hauptsächlich in der Schweiz, Deutschland und Italien. Eine weitere Idee war auch die, die zur Markteinführung der Haischnittlar-Maschine von Josef Schwitzer aus Sarnthein führte.
Es ist ein Gerät, das in der Lage ist, Heu und jede Art von Tierfutter zu reinigen, Staub zu reduzieren und vor allem das von den Tieren aufgenommene Futter zu säubern. „Wenn Kühe keinen Schmutz oder Abfall schlucken, produzieren sie mehr Milch und werden weniger krank. Das bedeutet nicht nur eine Steigerung der Rentabilität des Betriebs durch die höhere Milchproduktion, sondern auch eine große Einsparung bei den Tierarztkosten“, erklären Paolo Bertoni und Michael Stauder von IDM. Durch die geringere Staubentwicklung beim Umschichten von Heu wird auch das Arbeiten im Stadel weniger belastend. Das aus dem EFRE geförderte Projekt, das Unibz selbst gestartet hat, um neue, sicherere Traktoren für die Arbeit am Hang zu entwickeln, zielt auch auf den Schutz der Landwirte ab. Die mehr als 200 Quadratmeter große, im Bau befindliche Fläche im NOI Techpark steht sowohl Herstellern von Landmaschinen zur Verfügung, die mit der Anlage ihre Projekte optimieren und neue Sicherheitseinrichtungen entwickeln können, wie auch Landwirten. In Südtirol, wo sich jährlich rund 2000 Arbeitsunfälle in der Landwirtschaft ereignen (Quelle: Inail) und Unfälle mit kippenden Traktoren in Hanglage immer wieder tödlich enden, ist das Projekt von strategischer Bedeutung: „Mittel- bis langfristig soll es den Herstellern ermöglicht werden, sicherere Maschinen zu entwickeln, aber auch ein Bewusstsein von Sicherheit zu verbreiten, um mehr Leben zu retten“, erklärt Marco Bietresato, Forscher für Landmechanik an der Unibz, der mit Mazzetto an der Projektentwicklung beteiligt ist. Geforscht wird unter anderem auch an der Entwicklung und Verwendung von umweltfreundlicheren Kraftstoffen für landwirtschaftliche Fahrzeuge. Neben der Entwicklung sicherer Fahrzeuge ist auch das FIRST – Field Robotics South Tirol Lab im NOI vertreten: Es besteht aus Forschungsinfrastrukturen für Robotik und mechatronische Anwendungen für Berglandwirtschaft, die in die strategischen Bereiche „Energie und Umwelt“ und „Lebensmitteltechnologien“ hineinreichen, wo bereits Spitzenleistungen erbracht werden.
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