Klein, lokal, innovativ: Dorfläden sichern Zukunft
Durch die Landesgesetzgebung wird der Handel vor Ort direkt unterstützt. Dadurch konnte sich der Dorfladen von Familie Santifaller zu einem Treffpunkt fürs Dorf weiterentwickeln.
Familie Santifaller aus Villnöss verbindet Tradition und Innovation auf harmonische Weise. Dort wo früher Hühnerstall und Heustadel standen, ist nun ein Geschäft, bei dem Kunden künftig ihre Einkäufe selbst einscannen können. Ein Chip gibt dafür alle Informationen direkt ans Handy weiter, wo die Gesamtspesen berechnet werden. Bei Familie Santifaller hat Innovation schon beinahe Tradition. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts eröffnete nämlich Albert Sanitfaller in seinem Huaberhof das erste Geschäft in der Villnösser Fraktion Teis. Dies war aber nur der Anfang: das erste Auto Ende der 1960er, die erste Waschmaschine, die erste mechanische Erntemaschine für Weizen, Gerste und Roggen – alle Neuheiten kamen dank Albert Santifaller nach Teis. Auch seine Kinder führen diese „Tradition“ fort: Luis (65) führt gemeinsam mit seinen Schwestern Paula (62) und Annemarie (67) den Dorfladen, der zugleich auch Treffpunkt für das Dorf ist. „Miteinander reden und sich kennenlernen ist wichtiger als Geld. In einem Dorf darf man keine Angst davor haben, einander zu begegnen. Nur wenn man sich begegnet, kann man Vorurteile abbauen“, sagt Luis Santifaller, ein Unternehmer mit unerschöpflicher Energie. Diese ließ er sich auch nicht durch eine Lähmung, die er seit einem Unfall im Jahr 1968 hat, oder durch die Gasleck-Explosion des Hofes 2013 nehmen.
Regionale Kreisläufe in Landwirtschaft und Handel
Lange Zeit war der Huaberhof jener Ort, an dessen Sonnenplateau auf 900 Metern Meereshöhe die höchsten Weinreben Südtirols zu finden waren. Heute wird der Wein von Alois Lageder eingelagert, der eine eigene Etikette für den biodynamischen Müller Thurgau und den Riesling vom Huaberhof kreiert hat. „Wir verwenden keine Pflanzenschutzmittel, unsere Weine tragen die Demeter-Auszeichnung“, erklärt Santifaller, ein überzeugter Anhänger der regionalen Kreisläufe und der Nachhaltigkeit, sowohl in der Landwirtschaft, als auch im Handel. So findet man auch in seinem Geschäft vorzugsweise Produkte aus der Umgebung – doch seine Idee geht darüber hinaus. „Wir wollen eine Art Bildungsweg schaffen, der die Höfe und Produktionsstätten miteinbezieht. Ausgehend von unserem Geschäft, können die Kunden zu Fuß jene Orte erreichen, wo die gekaufte Marmelade, Wein oder Käse hergestellt wurden“, sagt der Teiser. Er folgt damit der Tradition seines Vaters Albert, der in einem Rucksack Butter und Eier seines Hofes direkt zu seinen Kunden ins Laurin oder ins Hotel Greif nach Bozen gebracht hat.
Land Südtirol stützt kleine Geschäfte
Wesentlich für die Stärkung der Nahversorgung war die Landesgesetzgebung zum Handel, durch die seit 2014 kleine Geschäfte mit jährlichen Beiträgen bis zu 11.000 Euro unterstützt werden. Um in den Genuss dieser Förderung zu gelangen, muss das Geschäft das einzige im Ort sein und eventuell Zusatzdienste, wie einen Internetpoint, einen Zustelldienst, Tabak- oder Zeitungsverkauf, anbieten. Familie Santifaller hat – ausgenommen 2016 – den Beitrag seitdem immer erhalten, auch Dank der Ideen von Luis Santifaller. Um diese alle umzusetzen, bräuchte es wahrscheinlich Millionen. Doch Schritt für Schritt werden Jahr für Jahr Neuerungen eingeführt. Heute werden im Dorfladen überwiegend Produkte aus der Umgebung verkauft. Überraschenderweise kommen dabei vom Huaberhof nicht nur Wein und Produkte vom Schaf (Wolle, Käse), sondern auch Goji-Beeren. Die asiatische Strauchfrucht wird in Südtirol nur an wenigen Orten angebaut, darunter auch in Teis. Auch bei den Schafen setzen die Santifallers auf eine Besonderheit: das Villnösser Brillenschaf. Im gesamten Villnösstal leben rund 450 der insgesamt 1700 Exemplare Südtirols, auf dem Huaberhof sind rund 40 davon beheimatet.
Der Villnösser Bürgermeister Peter Pernthaler ist überzeugt: „Das Geschäft der Familie Santifaller ist ein wichtiger Bezugspunkt für die 800 Bewohner von Teis, die ohne den Dorfladen für den Lebensmitteleinkauf nach Klausen, Brixen oder in den Hauptort St. Peter fahren müssten. Hinzu kommen der Einsatz für lokale Produkte, wodurch unsere gesamte Umgebung aufgewertet wird. Die Huaberhof-Weine sind ein wichtiges Aushängeschild für unser Tal, außerdem werden sie auch von unserer Bevölkerung geschätzt.“
Bald Einkauf mit Chip und Smartphone?
Neben der Produktion und dem Verkauf von Produkten, die auch an Hotels geliefert werden, wurde der Huaberhof mittlerweile selbst zur Unterkunft für Gäste. Dabei behält der Hof seine ursprüngliche Funktion immer bei: als Treffpunkt fürs Dorf und vor allem als treibende Kraft bei der Realisierung neuer Ideen. Und so möchte Luis Santifaller demnächst auch eine „Zeitbank“ umsetzen, eine Lern- und Schauküche im Garten des Hofes realisieren, eine Art Poststelle im Laden einrichten oder die Produkte mit einem Chip ausstatten, damit die Kunden selbständig einkaufen können und dafür lediglich ihr Smartphone benötigen.
Abgesehen vom Dorfladen in Teis, kommt die Unterstützung durch das Land auch anderen Nahversorgern zugute. Jährlich gehen ca. 90 Anfragen im Amt für Handel und Dienstleistungen ein, insgesamt 900.000 Euro sind im Haushalt dafür vorgesehen. 2019 wurden dadurch bisher eine Vielzahl an unterschiedlichen Geschäften unterstützt: unter anderem Juliane Reiterer, Inhaberin des einzigen Geschäftes in Mauls, einer Fraktion von Freienfeld, das Geschäft von Josef Alpögger in Pflersch in der Gemeinde Brenner, der einzige Nahversorger in Stuls, Gemeinde Moos in Passeier, betrieben von Ulrike Brigitte Widmann und der Dorfladen von Manuela Engl, die in den vergangenen Jahren ein breites Angebot an Naturkosmetika ins Sortiment aufgenommen hat.
Treffpunkt im Dorf
Die kleinen Geschäfte sind vor allem für die Bevölkerung am Land ein wichtiger Treffpunkt. „Wir können uns glücklich schätzen, dass in Südtirol die Dörfer und ländlichen Zentren belebt sind und dass die Nahversorgung überwiegend gut funktioniert. Dies ist nicht selbstverständlich“, sagt hds-Präsident Philipp Moser. Dafür reiche ein Blick ins nahe Ausland: In Tirol gibt es in 57 Gemeinden, davon zehn mit mehr als 1000 Einwohnern, kein einziges Geschäft mehr. Um diesem Trend vorzubeugen, wird in Südtirol im Moment am neuen Handelsgesetz gearbeitet, welches sich auch zum Wohl der kleinen Geschäfte und Familienbetriebe auswirken soll.
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2019 wird ein Jahr der Wende
Im Bereich Handel hat Südtirol zwar einen weitreichenden Spielraum, kann aber nicht vollkommen selbständig aktiv werden. Der Staat kann aufgrund seiner Zuständigkeit für den Schutz des Wettbewerbs beispielsweise die Sonntagsöffnungszeiten regeln. „Wir wollen unsere autonomen Spielräume weiter ausbauen, um die gesetzgeberische Basis zum Wohle unseres Landes weiter stärken zu können“, betont der zuständige Landesrat Philipp Achammer. Damit könne es gelingen, die kleinen Dorfläden zu unterstützen und so gegen die Abwanderung in peripheren, abgelegenen Gebieten aktiv zu werden. „Es geht uns darum, das soziale und wirtschaftliche Netz der Gemeinschaften vor Ort am Leben zu halten“, unterstreicht Achammer.
Aktuell regelt eine Durchführungsverordnung den Detailhandel in Gewerbezonen, während die Öffnungszeiten der Geschäfte über staatliche Gesetze reglementiert werden. Das Legislativdekret 146/2016 behandelt die Raumplanung im Bereich Handel und sieht vor, dass die Autonomen Provinzen Bozen und Trient „ohne Diskriminierungen unter den Handelsunternehmen und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – Zonen mit Handelsverbot und Handelseinschränkungen in Gewerbegebieten vorsehen“ können. Außerdem heißt es dort: „Die Provinzen können unter Berücksichtigung der besonderen topographischen Gegebenheiten in ihren Berggebieten und ihrer identitätsprägenden Traditionen Maßnahmen zum Schutz und zur Aufwertung der Handelstätigkeiten auch mittels Förderungsplänen ergreifen“, sofern diese nicht dem EU-Recht widersprechen. In diesem Zusammenhang sei auch das Landesgesetz 4/1997 zum Schutz der Kleingewerbes im ländlichen Bereich erwähnt. Dort findet sich auch die Basis der Förderungen, um die Schließung so genannter „Tante-Emma-Läden“ zu verhindern. Etwas weniger als eine Million Euro pro Jahr stehen für die Unterstützung der Nahversorger seit der Genehmigung des Landesregierungsbeschlusses 470 vom 2. Mai 2017 zur Verfügung. Die einzelnen Geschäfte erhalten dabei eine Förderung in der Höhe von 9000 bis 11.000 Euro. In den ersten vier Jahren seit Verabschiedung dieser Maßnahmen wurden auf diesem Wege bereits 364 Beiträge an 86 Antragsteller in der Gesamthöhe von 3,7 Millionen Euro ausbezahlt. Für 2018 erhielten 84 Anträge grünes Licht, die 854.000 Euro gingen an Geschäfte im ganzen Land: 16 aus dem Pustertal, 15 aus dem Vinschgau, 14 aus dem Burggrafenamt, elf aus dem Eisacktal, zehn aus dem Wipptal, neun aus der Zone Salten-Schlern und ebenso neun aus dem Unterland.
2019 wird das Jahr der Wende in Bereich Handel: In diesen Wochen und Monaten wird an einem neuen Handelsgesetz gearbeitet, mit dem dieser Bereich eine neue Struktur erhalten soll. So sollen darin die „neuen“ Handelsformen (Sonderverkäufe, temporary store/Pop-Up-Verkauf, spezielle Formen des Verkaufs, etc.) ebenso Berücksichtigung finden wie die Themen Öffnungszeiten, Wanderhandel und Tankstellen. Die nationale Gesetzgebung im Blick, soll im neuen Gesetz nach wie vor der Schutz der kleinen Geschäfte und der Familienbetriebe im Fokus stehen. Dazu zählt auch, dass der Einzelhandel in Gewerbezonen reglementiert und für die Öffnungszeiten gemeinsam getragene Lösungen gefunden werden sollen.
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