#3 Autonomie
Wenn Steine auf die Straße stürzen, aktiviert sich mit dem Alarm eine Einsatzgruppe des Landes – mit einem Dutzend Mitarbeitern von Straßenwärtern, Geologen bis zu den Technikern. Der Erdrutsch in Kastelbell ist ein Beispiel dafür.

Kaum ein Tag vergeht, an dem der Pager des diensthabenden Geologen des Landes nicht summt. Über 150 Eingriffe wegen Muren, Erdrutschen, Lawinen, Überschwemmung oder Steinschlag gibt es in Südtirol pro Jahr. Sie können Straßen blockieren, Menschen verletzen oder Schaden an Dingen oder Tieren verursachen.

 

Rund 40.000 Fahrzeuge fahren täglich durch den Virgl-Tunnel in Bozen. Was würde passieren, wenn sich Steine aus der Felswand am Tunnel lösen und auf die Straße stürzen? – Ein schlimmer Gedanke… Aber es ist kein Zufall, dass der Direktor des Landesamtes für Geologie und Baustoffprüfung Volkmar Mair den Virgl als Beispiel nimmt. So lässt sich nämlich ein einfaches Konzept schnell erklären: „Meist merkt der Bürger nicht einmal, dass er sich in Gefahr begibt, denn die Sicherheitsvorkehrungen werden immer so wenig invasiv wie möglich gehalten.“ Hinter jedem Eingriff stehen jedoch Dutzende von Personen. Die Ressorts der drei Landesräte Arnold Schuler (Bevölkerungsschutz), Daniel Alfreider (Mobilität und Infrastrukturen) und Massimo Bessone (Hochbau und technischer Dienst) koordinieren diese Eingriffe in enger Abstimmung und lösen im Ernstfall Alarm aus: Der Straßendienst mit den Straßenwärtern – kapillar verteilt auf sechs Zonen –, das Landesamt für Geologie- und Baustoffprüfung mit seinen Geologen und Ingenieuren, die Techniker der Landesabteilung Wasserschutzbauten, die Techniker und Feuerwehrleute des Bevölkerungsschutzes.

 

Die verwaltungstechnische Maschinerie, die sich sofort nach einem Alarm in Gang setzt, ist ein Beispiel dafür, wie das Land, das seit 20 Jahren die Kompetenz für die Straßen innehat, sich in kürzester Zeit einen Notfallplan geschaffen hat, um Südtirols Straßennetz sicher befahrbar zu halten.

Die Vorbereitung einer Sprengung verlangt Genauigkeit und Präzision.

„Jedes Ereignis und jede Maßnahme dazu werden vom geologischen Dienst auch mit Hilfe komplexer Software erfasst, überwacht, analysiert und bewertet. Die über die Jahre gesammelten Erfahrungen und Daten haben es ermöglicht, in Zusammenarbeit mit Universitätsinstituten und im Vergleich mit anderen alpinen Gegebenheiten der Euregio eine Risikobewertung und Risikopräventionsmethode zu entwickeln, die auch von ISPRA, dem obersten Institut für Risikoprävention in Italien, anerkannt ist“, betont Paolo Montagner, von 1994 bis 2013 Direktor des Straßendiensts des Landes und aktueller Chef des Ressorts für Hochbau und technischer Dienst. „Unsere Verwaltung ist bürgernah: Sie ist nicht nur Bürokratie, sondern ein Dienst, der Probleme löst und oft verhindert“, sagt Montagner.

Der Steinschlag, der am 3. November 2018 bei der Latschander in Kastelbell auf die Vinschger Staatsstraße niederging, ist ein perfektes Beispiel, denn er veranschaulicht einen Eingriff höchster geologischer Dringlichkeit, die Überwachung und Kontrolle der Felswand mit Sprengung der instabilen Felsbrocken quasi in Echtzeit. Die Straße war drei Tage gesperrt. Diese Zeit brauchte es für Untersuchungen und für Sicherheitseingriffe. Die Männer vom Straßendienst hatten bei ihrer Kontrollfahrt um 16 Uhr Alarm ausgelöst. Zwei Gesteinsbrocken mit einem Volumen von 150 Kubikmetern hatten sich auf einer Höhe von 715 Metern von der Wand gelöst und waren auf die Straße gestürzt. Sofort wurde der geologische Bereitschaftsdienst des Landes benachrichtigt. Innerhalb von zwei Stunden ist ein Geologe am Ort des Geschehens, um die Lage zu beobachten und das Risiko einzuschätzen – so ist es vorgegeben. An der Latschander wurde ein selbständiger Geologe aus Prad am Stilfser Joch herangezogen, der sofort die Straße sperren ließ. Später kam aufgrund der sehr kritischen und gefährlichen Situation der Direktor des Landesamts für Geologie und Baustoffprüfung selbst hinzu. Der Steinschlag, so die Einschätzung des Geologen, sei auf die intensiven Niederschläge der vorangegangenen Tage zurückzuführen. In nur drei Tagen waren 200 Millimeter Regen gefallen.

"Meist merkt der Bürger nicht einmal, dass er sich in Gefahr begibt, denn die Sicherheitsvorkehrungen werden immer so wenig invasiv wie möglich gehalten." Landesgeologe Volkmar Mair

Am Abend des 6. November war die Straße wieder geöffnet. Zuvor hatten Geologen und Techniker die Gefahrenstelle mit Hilfe einer detaillierten geologischen und geomorphologischen Untersuchung kartographiert. Dabei kam zutage, dass es an der Wand 14 lose Steinblöcke gab. Um das Gebiet zu sichern, wurden die Gesteinsmassen kontrolliert abgesprengt. Andere Lösungen wie das Befestigen der Steine ​​an der Wand mit einem Steinschlagschutznetz waren ausgeschlossen worden. In diesem Fall hatte der Straßendienst um den Eingriff gebeten, aber Mair weist darauf hin, dass sich der Trend in den vergangenen Jahren umgekehrt hat. Allmählich würden die Gemeinden zum Haupt-„Kunden“, so Mair. „Weniger Ressourcen für die Gemeinden bedeuten vor allem weniger Instandhaltung des Straßennetzes. Diese Situation gibt es nun seit einigen Jahren, aber auf lange Sicht tauchen immer mehr Probleme auf. Deshalb wird unser Eingreifen für die Sicherheit des Straßenverkehrs immer wichtiger“, betont Mair.

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