#2 Soziales Netz
Mit rund zehn Prozent seiner Haushaltsmittel unterstützt das Land Südtirol sozial Schwächere im Sinne eines sozialen Ausgleichs. Dabei ist es wichtig, die Treffsicherheit im Auge zu behalten.

Die Regierung in Rom bereitet zum 1. April die Einführung des Bürgereinkommens vor. Währenddessen hat der staatliche Rat für Wirtschaft und Arbeit CNEL zu Jahresbeginn in einer Analyse aufgezeigt, dass Italiens Maßnahmen zur Armutsbekämpfung im europäischen Vergleich zu spät gesetzt wurden. Mit 0,77 Prozent des Bruttoinlandprodukts gegenüber dem EU-Schnitt von 1,8 Prozent greifen die Ausgaben jedoch zu kurz. Anders ist die Situation in Südtirol: Dank der primären Gesetzgebungszuständigkeit, die das Autonomiestatut dem Land Südtirol in der Sozialfürsorge zuerkennt, wurde ein System der Mindestsicherung nach österreichischem Vorbild aufgebaut. Im italienweiten Vergleich des staatlichen Statistikinstituts ISTAT, der zu Jahresbeginn veröffentlicht wurde, liegt Südtirol mit einer Ausgabe von 517 Euro je Einwohner im Jahr 2016 deutlich über dem gesamtstaatlichen Durchschnitt von 116 Euro. Die Region Kalabrien scheint als Schlusslicht auf, wo die Gemeinden für Sozialdienste 22 Euro je Einwohner berappen.

 

Etwa ein Zehntel des Landeshaushaltes ist dafür bestimmt, den Schwächeren in Südtirols Gesellschaft mehr Sicherheit zu geben: sei es durch Leistungen für Senioren wie die Pflegesicherung, durch Gewährleistung eines sozialen Mindesteinkommens, durch Mietbeihilfen oder Leistungen für Menschen mit Behinderungen oder psychisch Kranke. Auch invalide, blinde oder gehörlose Menschen erhalten in Südtirol ihre Rente oder ihre Zulagen direkt vom Land über die beauftragte Landesagentur für wirtschaftliche und soziale Entwicklung ASWE. Im vergangenen Jahr 2018 hat das Land Südtirol 500 Millionen Euro für Sozialleistungen ausgegeben, um fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Womit sich der leichte Anstieg fortsetzt.

 

Hauptgrund dafür sind die zunehmenden Ausgaben im Pflegebereich, während die Auslagen für Mindesteinkommen oder Mietbeihilfen – auch im Zusammenhang mit der guten Beschäftigungslage – in den vergangenen Jahren konstant oder sogar rückläufig waren. So wurden im Vorjahr 223 Millionen Euro, um fast zehn Millionen Euro mehr als noch 2017 und nahezu die Hälfte des Sozialbudgets, an über 15.000 pflegebedürftige Menschen als Pflegegeld ausbezahlt. Knapp drei Prozent der 530.000 Südtiroler und Südtirolerinnen kommt diese Hilfsmaßnahme somit derzeit zugute. Blickt man auf die vergangenen fünf Jahre zurück, so ist die Zahl der Begünstigten seit 2014 um über 1000 angestiegen. Auch die Ausgaben für das Land erhöhten sich um fast 26 Millionen Euro.

Durch die primäre Gesetzgebungszuständigkeit hat Südtirol bereits vor Jahren ein System der Mindestsicherung nach österreichischem Modell aufgebaut.

Neben dem Pflegegeld, das als direkte finanzielle Leistung die Betreuung pflegebedürftiger Menschen im familiären Umfeld unterstützt, finanziert das Land auch eine Reihe von Dienstleistungen für Senioren: Im vergangenen Jahr erhielten über 5.500 Personen, vorrangig Senioren, mehr als 300.000 Stunden Betreuung zu Hause durch die Hauspflegedienste; in Seniorenheimen standen zum Jahresende 2018 4500 Plätze zur Verfügung. Auch 2018 kamen somit, wie bereits in den vergangenen Jahren, rund 100 Heimplätze hinzu.

 

Angesichts der soziodemografischen Entwicklung sei es primäres Ziel der Landesregierung, im „Sozialbereich Dienste und Transferleistungen zu sichern und die Weichen für deren langfristige Finanzierbarkeit zu stellen und gleichzeitig an der Weiterentwicklung und Treffsicherheit des Angebotes zu arbeiten“, steht es in der Haushaltsrede von Landeshauptmann Arno Kompatscher 2018. Dabei möchte das Land mit verschiedenen Strategien die Betreuung zuhause ermöglichen und Angebote begleiteten Wohnens ausbauen. Es geht darum, dass Menschen möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können.

 

Um die Pflege auch in Zukunft sichern zu können, rechnet das Land mit weiter steigenden Ausgaben. Grund dafür sind die höhere Lebenserwartung und die geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten zehn bis 20 Jahren das Rentenalter erreichen. Sind heute rund 100.000 Personen zwischen 60 und 70 Jahre alt, so werden es laut Prognosen des Landesstatistikinstituts ASTAT im Jahr 2030 um ein Drittel mehr, etwa 150.000 sein.

In Südtirol nimmt der Anteil der über 65-jährigen stetig zu. (Quelle: ASTAT)
In Südtirol nimmt der Anteil der über 65-jährigen stetig zu. (Quelle: ASTAT)

Während immer mehr Menschen der Pflegesicherung bedürfen, ist die Anzahl der Menschen oder der Familien, die finanzielle Sozialhilfe beziehen, seit 2013 leicht rückläufig. Diese Leistungen spiegeln die wirtschaftliche Entwicklung wider: Als zwischen 2008 und 2011 einige Betriebe in Südtirol geschlossen wurden und Arbeitsplätze verloren gingen, stiegen die Ausgaben an, in den vergangenen drei Jahren sind sie wieder gesunken. 2018 waren es rund 3.300 Haushalte, denen ein soziales Mindesteinkommen ausbezahlt wurde, damit sie Grundbedürfnisse wie Nahrung, Bekleidung, Hygiene oder Gesundheit abdecken können.

 

Im laufenden Jahr 2019 kann eine Person monatlich maximal 600 Euro erhalten, eine Familie mit vier Personen bis zu 1.100 Euro. Im vergangenen Jahr hat das Land acht Millionen Euro dafür aufgebracht. Bedürftige Einzelpersonen oder Familien können auch im Bereich des Wohnens mit Unterstützung des Landes rechnen. So werden Beiträge für die Miete und die Wohnungsnebenkosten gewährt. Das Land hat dafür im Vorjahr 41 Millionen Euro ausgegeben. Das Geld kam rund 13.500 Haushalten zugute. Sowohl das Mietgeld, als auch das soziale Mindesteinkommen wird EU-Bürgern ebenso gewährt wie Nicht-EU-Bürgern. Letztere beanspruchen beim Mindesteinkommen 36 beziehungsweise beim Mietgeld 43 Prozent des Gesamtbetrags beanspruchen, aber so gut wie kein Pflegegeld erhalten.

 

Beantragt und ausbezahlt werden diese finanziellen Direktzahlungen über die Sozialsprengel oder über die Sozialdienste der Gemeinden, wo die Gesuche eingereicht und bearbeitet werden. Für die Finanzierung der Sozialdienste in den Bezirksgemeinschaften und den Gemeinden stellt das Land jährlich 115 Millionen Euro bereit. Zudem hat das Land soziale Dienste mit 28 Millionen Euro bezuschusst. Hinzu kommen die Investitionen in soziale Infrastruktur.

In Südtirol gibt es ein umfassendes Netz an Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen.

In den vergangenen Jahrzehnten hat das Land ein umfassendes Netz an Betreuungseinrichtungen, Werkstätten, Wohngemeinschaften oder Förderstätten errichtet, das derzeit im Sektor Behinderung 1467 Plätze (427 stationäre und 1040 teilstationäre) bietet, im Bereich psychisch Kranke 322 (davon 222 teilstationär) und 79 im Bereich Sucht (62 davon teilstationär). Über tausend Fachkräfte sind in diesen Einrichtungen im Einsatz. Insgesamt hat die Anzahl der Menschen, die in den sozialen Diensten arbeiten, zugenommen. Und der Bedarf steigt vor allem in der Altenpflege sichtlich, wo derzeit fast 60 Prozent des Personals der Sozialdienste im Einsatz ist. 2018 waren im Sozialdienst insgesamt 8453 Menschen tätig, mehr als 85 Prozent von ihnen waren Frauen. Hinzu kommen noch etwa 4300 Freiwillige und rund 2000 Praktikanten.

 

Soziale Bedeutung hat schließlich auch die finanzielle Unterstützung, die das Land für Familien vorsieht. Im mittel- und nordeuropäischen Vergleich kann Südtirol zwar nicht mithalten, im gesamtstaatlichen Kontext allerdings nimmt das Land eine Vorreiterrolle ein. Zudem wurden die finanziellen Mittel für Familien deutlich aufgestockt und betrugen 2018 134 Millionen Euro. Etwa 60 Prozent der Mittel fließen direkt an die Familien und werden einkommensabhängig zuerkannt.

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