#2 Soziales Netz
Das Jahr 2018 war für Südtirols Behindertensportler ein außerordentlich erfolgreiches. Einige Portraits zeigen, dass man durch den Sport über sich hinauswachsen kann.

Für die italienische Para-Eishockeymannschaft, die zum Großteil aus Südtirol stammt oder hier trainiert, war das Jahr 2018 ein außergewöhnliches. Symbolfigur der Mannschaft ist der Fahnenträger bei den Paralympischen Winterspielen in Pyeongchang, Florian Planker. Der 40-jährige Bankangestellte, der bei einem Unfall einen Fuß verlor, hat im Sport seine zweite Berufung gefunden. In der Sportgruppe für Körperbehinderte Südtirol (SGKS) findet Planker begeisterte Mitstreiter. Unter anderem hat er ab 2007 zum Aufbau einer Nationalmannschaft beigetragen. Seit 1994 zählt das Sledge-Hockey (oder auch Para-Eishockey) zu den Paralympischen Sportarten. Es gibt jedoch auch eine italienische Liga, die momentan aus drei Mannschaften (die South Tyrol Eagles aus Bozen, di Tori Seduti aus Turin und die Brancaleone aus Varese) besteht. Die Zahlen untermauern die Südtiroler Vorherrschaft im nationalen Para-Eishockey: Von den 22 Spielern, die an den Spielen 2018 teilgenommen haben, stammten sieben (neben Planker, Gianluigi Rosa, Nils Larch, Christoph Depaoli, Werner Winkler, Gianluca Cavaliere und Stephan Kafmann) aus Südtirol.

Als gebürtigem Grödner wurde Florian Planker die Passion für das Eis quasi in die Wiege gelegt. Kaum verwunderlich, dass er bereits mit vier Jahren das erste Mal einen Eishockeyschläger in der Hand hatte. „Es war mein großer Traum professioneller Eishockeyspieler zu werden. Diesen habe ich von Kindesbeinen an verfolgt“, erzählt er. 1994, Florian Planker war gerade mal 17 Jahre alt, als ein Motorradunfall alles veränderte. Nach der Beinamputation versuchte sich Planker zunächst im Skisport: „Als ich in der Rehaklinik in Bad Häring in Tirol war, fanden Paralympische Spiele in Lillehammer statt. Damals sah ich das erste Mal ein Rennen mit einbeinigen Skirennfahrern. ‚Warum nicht?‘, habe ich mir gedacht.“ Seitdem hat der Sportler an sechs Paralympischen Spielen teilgenommen: Die ersten davon bestritt er als Skifahrer, ab 2006 kehrte er zu seinen sportlichen Wurzeln, dem Hockey zurück. „Sobald ich auf dem Eis war, fühlte ich mich gleich wieder wohl und spürte meine Leidenschaft für diesen Sport und meine ehemalige Position als Angreifer. Sicher, vieles ist nun anders: Nun müssen die Arme den Puck steuern und gleichzeitig beschleunigen. Das erfordert ein hohes Maß an Schnelligkeit und Koordinierung. Da wir nicht rückwärts eislaufen können, muss man lernen sich schnell umzudrehen“, erklärt Planker, der sich glücklich schätzt, seine Leidenschaft für den Sport auch mit seinem Beruf in einer Südtiroler Bank gut vereinen zu können.

Ein großer Teil der italienischen Sledge-Hockeymannschaft kommt aus Südtirol.
Florian Planker, der Fahnenträger bei den Paralympischen Spielen 2018
Mehrfache Italienmeister: Die South Tyrol Eagles

Die Bedeutung des Sports wurde auch vom Land als Arbeitgeber untermauert. Öffentlich Bedienstete, die Wettkämpfe bestreiten, können jährlich bis zu 10 Tage Urlaub für Training und Wettkämpfe beanspruchen. Einer, der davon Gebrauch macht, ist Julian Kasslatter, Torhüter der South Tyrol Eagles und wie Planker aus dem Grödental. Von Geburt an hat Kasslatter eine Fehlbildung an den Beinen, die seine Mobilität einschränkt. Vielen ist Julian Kasslatter nicht nur durch seine sportliche Aktivität, sondern auch als Portier im Landhaus 1 bekannt. „Es gefällt mir zu den Turnieren zu reisen, mit meinen Teamkollegen zu trainieren. Am besten ist aber unser Teamgeist: Ich bin Teil eines Teams, das harmonisch zusammenspielt, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen“, berichtet Julian.

In Südtirol gibt es mit den Junghechten aus Kaltern die einzige Kindermannschaft im Para-Eishockey. Gegründet wurde diese vom heutigen Trainer Werner Winkler, der selbst im Alter von 15 Jahren sein linkes Bein bei einem Unfall mit einem Kleinmotorad verloren hat. Nachdem er mehrere Sportarten ausprobiert hat, spielt Winkler heute Sledge-Hockey für die South Tyrol Eagles und nahm 2018 ebenfalls an den Paralympischen Spielen in Pyeongchang teil. Die von Winkler gegründete Kindermannschaft feiert heuer ihr 10-jähriges Jubiläum. Momentan trainieren fünf Kinder unter 16 Jahren in Kaltern, oftmals gemeinsam mit den Spielern der Eagles. Das Training ist altersübergreifend, auch die einzige weibliche Sledge-Hockeyspielerin, Anita Camiada, ist Teil der Kalterer Mannschaft. „Eine Vorreiterrolle nehmen wir bereits seit 2005 ein, als Italien erstmals an den europäischen und den Weltmeisterschaften sowie an den ersten Paralympics teilgenommen haben. Die Südtiroler Delegation war von Anfang an dabei“, erzählt Winkler. „Für diesen Sport war es immer schwierig Nachwuchs zu finden. Doch 2009 hat sich dies geändert, als wir die Jugendgruppe in Kaltern gegründet haben. Auch heute noch gibt es auf gesamtstaatlicher Ebene wenige Jungmannschaften, dennoch halten wir an unserem Traum fest eine Jugendliga, ähnlich jener in den USA oder in Kanada, auf die Beine zu stellen“, berichtet Werner Winkler. Er sei immer auf der Suche nach neuen Talenten, die den Umgang mit Puck und Schlägern erlernen wollen.

Die WH Tigers, die es ebenfalls seit 2009 gibt, hingegen spielen mithilfe eines Elektrorollstuhls. Die Spieler leiden nämlich an Muskeldystrophie oder Multipler Sklerose und könnten ohne Hilfsmittel keinen Sport ausüben. Auch mit geringem Krafteinsatz können die Spieler so einen Sport betreiben, dadurch Teil eines Teams werden und damit Einsatz, Entschlossenheit und Energie zeigen. Die Mannschaft, die von Präsident und Teamkapitän Clemens Innerhofer geleitet wird, besteht aus Spielern, die zwischen 8 und 49 Jahre alt sind.

"Wir haben den Traum, eine Sledge-Hockey-Jugendliga, ähnlich jener in den USA oder in Kanada, auf die Beine zu stellen." Werner Winkler

„Wenn ich Sport betreibe, konzentriere ich mich voll und ganz auf den Moment, auf das was ich mit meinem Körper schaffen kann. Alles, was ich nicht in diesem Moment schaffen kann, ist zweitrangig“, so fasst Claudia Schuler ihre Motivation zusammen. Claudia, heute 30 Jahre alt, kann von Geburt an durch einen Arztfehler ihre Beine nicht bewegen. Sie ist daher seit Kindestagen an den Rollstuhl gebunden. Dennoch wollte sie immer „normal“ sein. Heute ist Schuler siebenmalige Italienmeisterin im Handbike, zwischen 2007 und 2013 erreichte sie zahlreiche Plätze auf internationale Podien und wurde zur Referenzgröße in ihrer Sportart. Im Jahr 2016 tritt Schuler vom aktiven Profisport zurück, zwölf Jahre nachdem sie angeleitet von Trainer und Mentor Roland Rupp (selbst zweifacher Paralympicsieger bei den Spielen 2002 in Salt Lake City) professionell mit dem Handbiken begonnen hatte. Ihre Zukunft sieht die Plauserin als „Mentaltrainerin für andere Sportler oder als Sportpsychologin. Ich werde aber nie mit dem aktiven Sport aufhören, denn dies ist gut für den Körper und den Geist. Ich liebe es mit meiner dreijährigen Nichte Rad zu fahren, so wie ich dies früher mit meinen Schulkolleginnen gemacht habe. Ich wollte immer dazugehören, bei all ihren Aktivitäten, auch wenn ich körperlich eingeschränkt war. Doch mit der Zeit fand ich heraus, dass ich sogar klettern und schwimmen konnte. Das hat mir gezeigt: Die wahren Grenzen bestehen nur in unseren Köpfen“. Um Claudia das Klettern zu ermöglichen hat der Verantwortliche der AVS-Kletterhalle in Jenesien Egon Larcher einige spezielle Kletterrouten erstellt, die auch für querschnittsgelähmte Kletterer machbar ist. In der Meraner Kletterhalle, die ebenfalls vom Alpenverein geführt wird, können sogar blinde und körperbehinderte Menschen den Klettersport ausüben. Claudia selbst kennt sich nur mit Rollstuhl – daher bezeichnet sie sich selbst „nicht als behindert, sondern dies ist meine eigene Art. Wer hingegen das Gefühl kennt, mit den Beinen gehen zu können und dies im Laufe des Lebens durch einen Unfall oder ähnlichem verliert, tut sich viel schwerer diese Realität zu akzeptieren“.

Claudia Schuler (1.v.l.) zählte zu Italiens besten Handbikerinnen.
Nicht nur auf dem Handbike, sondern auch in der Kletterhalle fühlt sich Schuler wohl.
Claudia Schuler. Foto: Maurizio Fiammengo

Dieses Gefühlt kennt hingegen Ivan Tratter, der nach einem Unfall im Jahr 2011 sich erst an den Rollstuhl gewöhnen musste. „Mein Leben hat sich nicht verschlechtert, aber verändert“, sagt der 28-jährige heute. Es war ein eigentlich geselliger Abend, im Jahr 2011, an dem Ivan mit seinen Freunden zum Mondscheinrodeln unterwegs war. Er endete jedoch anders als geplant, als Ivan mit seiner Rodel gegen einen Baum fuhr und eine irreversible Querschnittslähmung (verursacht durch eine Fraktur des Rückenwirbels mit Rückenmarksverletzung) davontrug. Früher war er Amateurfußballspieler, doch heute zählt er zu einem der besten Rollstuhltennisspielern der Welt. Sein klares Ziel ist die Qualifikation für die Paralympics 2020 in Tokio. „Momentan bin ich auf Platz 40 der Weltrangliste. Wenn ich im Mai 2020 diesen Platz immer noch inne habe, bin ich dabei“, erzählt Ivan Tratter, der im September 2018 die italienische Rangliste seiner Disziplin anführte. „Ich habe bisher an 16 internationalen Profiturnieren teilgenommen. In den vergangenen acht Jahren habe ich Erfahrungen gemacht, die mein Leben enorm bereichert haben. Ich könnte mir kein anderes Leben vorstellen“, berichtet der junge Sportler aus Jenesien. Dafür trainiert er täglich für mindestens eine Stunde auf dem Tennisplatz, gefolgt von Schwimmtraining, um die Ausdauer zu verbessern. Sein Lieblingstrainingspartner ist Ivans 24-jähriger Bruder Florian: „Es ist einfach toll, gemeinsam mit ihm zu trainieren“, sagt Ivan, der bald nach dem ersten Schock nach seinem Unfall seine Liebe zum Sport im Rehabilitationszentrum Bad Häring wiederentdeckte. „Der Sport hat mir immer schon gefallen, aber als ich das erste Mal Tennis und Basketball im Rollstuhl gespielt habe, wusste ich, dass dies mein Weg ist“, erzählt Ivan.

"Mein Leben hat sich nicht verschlechtert, aber verändert." Ivan Tratter

Bad Häring ist der Ort, an dem viele paralympische Athleten das erste Mal mit einer sportlichen Betätigung trotz körperlicher Behinderung in Berührung gekommen sind. Das Ziel des Rehazentrums ist es, die Patienten zu befähigen wieder möglichst autonom und unabhängig zu leben. Dafür spielt neben der medizinischen Betreuung auch der sportliche Aspekt eine große Rolle. Das Land Südtirol hat bereits seit Anfang der 1980er Jahre eine Konvention mit Bad Häring, die es ermöglicht, dass auch Südtiroler Patienten dort aufgenommen werden. Im Jahr 2017 wurden 38 Südtiroler Patienten im Nordtiroler Rehabilitationszentrum behandelt. Das Land hat dafür Geldmittel in der Höhe von 900.000 Euro zur Verfügung gestellt und beschlossen, die Konvention bis Ende 2021 zu verlängern. Dank dieser Vereinbarung werden Spesen rückerstattet, die auch eine elektronische Beinprothese umfassen. Durch dieses Hilfsmittel können sich beinamputierte Patienten viel agilerer und besser bewegen, als dies mit jenen Prothesen der Fall ist, die üblicherweise in Italien zur Anwendung kommen. „Am Abend schließe ich die Prothese ans Netz und lade sie damit auf, wie ein Handy“, berichtet Markus Kompatscher, der Präsident der Sportgruppe für Körperbehinderte Südtirol (SGKS). „Meine erste Prothese habe ich vor 40 Jahren erhalten, die war quasi ein Stück Holz. Die biomedizinische Technik hat sich rasant weiterentwickelt, vor allem was die Stabilität und die Bewegungsfreiheit betrifft. Dies ermöglicht es uns, trotz Beinprothese, einer ‚normalen‘ Arbeit nachzugehen. Ich arbeite beispielsweise beim Regierungskommissariat, Florian Planker ist bei einer Bank beschäftigt oder Werner Winkler arbeitet bei einem Autozulieferer“, sagt Kompatscher. Der 51-jährige Atzwanger hat im Alter von 11 Jahren ein Bein verloren, als er mit dem Rad stürzte und von einem Auto angefahren wurde. Halt fand Kompatscher im Sport, wobei er sich für viele unterschiedliche Sportarten begeistern konnte.

Auch für Michael Stampfer ist der Sport ebenso fundamental wichtig. Im Jahr 2002 veränderte sich das Leben des heute 42-jährigen durch einen Arbeitsunfall, als er sich bei einem Sturz aus 10 Metern Höhe drei Wirbel brach. Der Aufenthalt in Bad Häring war für Stampfer der Neubeginn: „Mir wurde bewusst, dass es keinen Grund gab mich selbst zu bemitleiden. Ich konnte nach dem Reha-Aufenthalt beinahe alles eigenständig erledigen: ins Bad gehen, duschen, mich anziehen, zur Arbeit oder in Urlaub gehen – und natürlich auch Sport betreiben. Vor allem dies hat mich motiviert und so habe ich beschlossen, hart zu trainieren, um mich schließlich in der Skinationalmannschaft für den Weltcup zu qualifizieren. Auch die Teilnahme an den Paralympics waren Ziele, die ich 2006 und 2010 erreichen konnte“, erzählt Michael Stampfer, der für eine Kalterer Firma arbeitet, die Skiplatten und Bindungen herstellt. Nach den Paralympischen Spielen 2010 beschloss Stampfer seine aktive Sportlerkarriere zugunsten seines Berufes aufzugeben. Doch die Liebe zum Sport ist geblieben und wird weitergegeben: „Mit meinem fast 4-jährigen Sohn liebe ich es Mountain Bike zu fahren oder Tennis zu spielen. Er soll die Möglichkeit haben, alles auszuprobieren, was ihm Spaß macht“, sagt Stampfer.

Christian Lanthaler aus Dorf Tirol ist eine wahre Größe im Bereich des paralympischen Skisports. So wurde der 51-jährige, der im Jahr 1990 gemeinsam mit Markus Kompatscher die SGKS gegründet hat, vor drei Jahren von der Behindertensport-Kommission des europäischen und afrikanischen Verbandes zum Behindertensportler des Jahres 2016 gewählt – und das bereits zum dritten Mal! Lanthaler verlor im Alter von fünf Jahren sein linkes Bein: „Ich fiel beim Spielen unglücklich zwischen das Drahtseil und die Scheibe einer Seilwinde. Dadurch wurde mein linkes Bein abgetrennt. Ich wuchs also quasi von klein an mit nur einem Bein auf, habe aber dennoch alles mit meinen Freunden unternommen“. Sport stand dabei natürlich ebenso auf dem Programm. Mittlerweile kann Lanthaler auf die Teilnahme an sieben Paralympischen Spielen zurückschauen, wobei er in Salt Lake City zwei Silbermedaillen erringen konnte. Ebenso war er bei der Ski-Weltmeisterschaft 1996 in Lech erfolgreich. Seit 1993 zählt Christian Lanthaler neben dem Skifahren auf Schnee auch jenes zu Wasser, als Wasserskisportler zu seinen Leidenschaften. Tägliches Sporttraining gehört für den Dorf Tiroler ebenso zum Alltag wie seine Arbeit als Goldschmied. Seit 17 Jahren fertigt und verkauft Lanthaler wahre Kunstwerke aus Gold und Silber in seinem Geschäft in Meran.

Skifahren ist die Leidenschaft von Christian Lanthaler...
... auch Wasserskifahren zählt dazu.
Erfolgreicher Paralympionike aus Kaltern: Michael Stampfer
Sport ist für Michael Stampfer von großer Bedeutung.

Ein Pionier des alpinen Behindertensports in Südtirol ist Bruno Oberhammer, der von Geburt an sehbehindert ist. Seine ersten Paralympischen Spiele erlebte der heute 54-jährige im Jahr 1984 in Innsbruck. Damals gab es diese Spiele seit rund 20 Jahren: „Ich wurde dorthin entsendet, ohne dass es jedoch den Behindertensport in Italien in organisierter Form gab. Wir haben jedoch schnell aufgebaut, sodass wir bereits 1988 mit zwei weiteren sehbehinderten Südtiroler Athleten, Manfred Perfler und Hubert Perfler, zur zweiten Ausgabe der Paralympics in Innsbruck fahren konnten“, erinnert sich Oberhammer, der drei goldene, fünf silberne und vier bronzene Medaillen sein Eigen nennt. Auch nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn blieb der Bozner dem Sport als Funktionär erhalten: Von 1998 bis 2010 war er technischer Direktor aller Wintersportarten der paralympischen Nationalmannschaft innerhalb des italienischen Verbandes der Behindertensportler.

 

Als Behindertensportler bezeichnet man jedoch nicht nur jene Sportler, die eine körperliche (Amputation, angeborene oder unfallbedingte Querschnittslähmung oder Tetraplegie) oder eine Sehbeeinträchtigung haben, sondern es gibt auch viele Sportler mit einer geistigen Beeinträchtigung. „In Südtirol gibt es mehrere Hunderte Behindertensportler, davon haben mindestens Dreiviertel eine geistige Behinderung“, berichtet Massimo Bernardoni, der Bozner Delegierte im nationalen Paralympischen Komitee (Comitato Italiano Paralimpico, CIP). Es werde immer wichtiger, Menschen mit Beeinträchtigungen, egal welcher Art, besser in die Gesellschaft zu integrieren. Den Berechnungen der sog. Lancet-Kommission (eine international besetzte Expertenkommission) zufolge haben die mentalen Erkrankungen in den vergangenen Jahren rasant zugenommen und bewirken, dass dadurch bis zum Jahr 2030 direkte und indirekte Zusatzkosten (Produktivitätsverlust, krankheitsbedingte Fehltage bei der Arbeit, Ausgaben für den sozialen Wohlfahrtsstaat, Bildung, etc.) in der Höhe von 16 Trillionen Dollar entstehen. Für das Jahr 2019 hat das Weltwirtschaftsforum in Davos darum diesem Thema ebenfalls einen breiten Raum eingeräumt und unter dem Motto „Take action on mental health“ Aufmerksamkeit erregt. Gerade wenn es um die psychische Gesundheit geht, darf man die positive Auswirkung des Sports nicht vergessen. Einen Praxisbericht dazu kann man ebenso in dieser LP-Ausgabe lesen (Wander-ful). „Sport wird zu einem allumfassenden Integrationsinstrument: Jede Aktivität, die man gemeinsam mit anderen Menschen ausübt, egal ob diese eine Behinderung haben, verbessert nicht nur die körperliche und geistige Kondition, sondern hat auch einen wichtigen sozialen Charakter“, sagt Bernardoni. Dies merke man unter anderem bei den Special Olympics, bei denen sich Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung in unterschiedlichen Sportarten messen. Ähnlich den Olympischen Spielen finden auch die Special Olympics alle zwei Jahre statt, wobei sich Sommer- und Winterspiele abwechseln. Auch viele Südtiroler Sportlerinnen und Sportler nahmen und nehmen daran teil. Bei den Winterspielen 2017 in Schladming (Österreich) haben die Südtiroler insgesamt sechs Medaillen gewonnen: zwei goldene, eine silberne und drei bronzene gingen in unterschiedlichen Kategorien und Sportarten nach Südtirol.

Die Sportgruppe für Körperbehinderte Südtirol (SGKS) ist 1990 unter anderem von Markus Kompatscher, der seit 1992 auch deren Präsident ist, gegründet worden. Formal ist sie ein ehrenamtlicher Verein, der auch Mitglied des Dachverbandes für Soziales und Gesundheit ist. Finanziert wird die SGKS über Spenden und Sponsoren. Die ordentliche Tätigkeit sowie die Organisation von Veranstaltungen wird durch das Landesamt für Sport gefördert. Zudem erhält die SGKS für außerordentliche Tätigkeiten (z.B. Ankauf von Geräten) Beiträge vom Amt für Menschen mit Behinderungen. Ihren Sitz hat die Sportgruppe in Atzwang und zählt an die 150 Mitglieder.

Innerhalb der Südtiroler Landesgruppe des Italienischen Blinden- und Sehbehindertenverbandes gibt es eine eigene Amateursportgruppe (BSSG – Blinden- und Sehbehindertenamateursportgruppe Bozen). Diese betätigt sich im Bereich des Breitensports, der Freizeitgestaltung und der Teilnahme an gesamtstaatlichen und internationalen Wettbewerben. Die Sportgruppe besteht aus den Sektionen Torball, Wintersport, Leichtathletik und Tandem/Schach/Schießen/Freizeit. Die Torballer des BSSG Bozen spielen auf einem sehr guten Niveau: So wurde das Team in der Saison 2017/18 Italienmeister, im November 2018 konnten sie den Supercup gewinnen.

Ein weiterer Verein, der sportliche Aktivitäten für Menschen mit Behinderung organisiert, ist die Lebenshilfe: Kurse, Trainings und Wettbewerbe in alpinen und nordischen Skiarten, Eislaufen, Leichtathletik, Fußball, Schwimmen und Gymnastik stehen dabei auf dem Programm. Den alljährlichen Höhepunkt stellt dabei das Spiel- und Sportfest. Dieses wird vom Landesamt für Menschen mit Behinderung in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe und den Fachschulen für Sozialberufe „Hannah Arendt“ und „Emmanuel Levinas“ organisiert. Dazu werden Menschen mit Beeinträchtigung aus ganz Südtirol und dem Trentino eingeladen.

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