Eine innovative Erhebung in Südtirol zielt darauf ab, den Pandemie-Verlauf auf der Grundlage von Virus-Spuren in den Abwässern der Kläranlagen ersichtlich zu machen.

In Südtirol wird das Vorhandensein von genetischem Material des Coronavirus in den Abwässern beobachtet. Die Proben dazu stammen von den größeren Kläranlagen des Landes. Die gesammelten Daten dienen dazu, die Entwicklung der Sars-Cov-2-Infektionsfälle auf dem Landesgebiet zu überwachen sowie eventuelle Hotspots in der Bevölkerung frühzeitig zu lokalisieren, um geeignete Maßnahmen setzen zu können.

Die Erhebung wird von der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz gemeinsam mit dem Südtiroler Sanitätsbetrieb und den Südtiroler Kläranlagen durchgeführt. Beauftragt wurden sie dazu von der Südtiroler Landesregierung. „Das Biologische Labor der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz hat ein Monitoring der eingehenden Abwässer in den neun größten und repräsentativsten der insgesamt 50 auf dem Landesgebiet vorhandenen Kläranlagen eingerichtet, um den Krankheitserreger, das Sars-Cov-2-Virus, zu identifizieren“, erklärt Alberta Stenico, Direktorin des Biologischen Labors.

Sieben von zehn Infizierten scheiden Virus-Spuren aus

Die Untersuchung stützt sich auf die wissenschaftliche Erkenntnis, dass sich Spuren des Virus im Stuhlgang von erkrankten und von asymptomatischen oder geringsymptomatischen Personen finden. „70 Prozent der infizierten Personen – also sieben von zehn – scheiden Virus-Spuren über den Darm aus“, unterstreicht Stenico. „Die Virus-Spuren landen im Abwasser und damit in den Kläranlagen. Somit kann ein umfassendes Bild der Verbreitung des Virus gezeichnet werden.“

Der Nachweis des Virus in Abwasserproben wird mit molekular-biologischen Analysen durchgeführt. Die Labor-Mitarbeiter suchen nach dem Vorhandensein von genetischen RNA-Sequenzen jener Proteine, die typisch für das Coronavirus sind. „Jede entnommene Probe umfasst circa 50 Milliliter Abwasser – das entspricht dem Inhalt eines kleinen Glases. Aus diesem Abwasser, in dem sich Milliarden von Mikroorganismen befinden, wird die RNA des Coronavirus extrahiert und nachgewiesen“, präzisiert Alberta Stenico. „Der Anstieg, der Rückgang oder die Abwesenheit dieser RNA-Spuren in den Proben über eine bestimmte Zeit hinweg sind ein direkter Hinweis auf die größere oder geringere Verbreitung des Virus in der Bevölkerung im Einzugsgebiet der jeweiligen Kläranlage.“

Bisher Abwasser von 70 Prozent der Bevölkerung untersucht

Mit den ersten Beprobungen wurde im Mai 2020 begonnen. Aus den vorhandenen Daten der untersuchten Proben lässt sich ein allgemeiner Trend nach Einzugsgebieten der einzelnen Kläranlagen feststellen. „Seit November 2020 wurde in allen Proben Coronavirus-Spuren nachgewiesen, wenn auch in unterschiedlich hohen Konzentrationen“, bekräftigt die Direktorin des Biologischen Labors. Bei den neun Südtiroler Kläranlagen, die das Landesamt für Gewässerschutz für das Monitoring ausgewählt hat, handelt es sich um die Kläranlagen von Bozen, Tramin, Pontives, Meran, Mittlerer Vinschgau, Brixen und Wipptal sowie um die Kläranlagen Tobl und Wasserfeld I im Pustertal. Damit wird derzeit das Abwasser von etwa 70 Prozent der Südtiroler Bevölkerung überwacht.

Die Abwasser-Proben werden von den Betreibern der Kläranlagen zwei Mal wöchentlich gezogen: jeweils am Donnerstag, der stellvertretend für einen Werktag steht, und am Montag, der Aufschluss über den Verlauf am Wochenende gibt. Während in Bozen die Proben des Werktags besonders aussagekräftig sind, weil dort auch die Pendler erfasst werden, gilt dies für die peripheren Zentren vor allem für die Daten des Wochenendes, die auch die Gästezahl in Zweitwohnungen und Beherbergungsbetrieben widerspiegeln. Woche für Woche teilt das Biologische Landeslabor dem Südtiroler Sanitätsbetrieb die Analyse-Ergebnisse der Abwasser-Proben mit.

Monitoring als Entscheidungsgrundlage

Für den Südtiroler Sanitätsbetrieb stellt dieses Monitoring ein wichtiges Instrument dar, das auch als Grundlage für weiterführende Entscheidungen zur Eindämmung der Pandemie dient. Ziel ist es daher, die Anzahl der am Monitoring beteiligten Kläranlagen zu erhöhen, um die Abwässer von rund 90 Prozent der Bevölkerung überwachen zu können. Zudem ist geplant, die Daten der Kläranlage Bozen noch weiter aufzuschlüsseln, um einen besseren Überblick über die Abwässer der einzelnen Gemeinden zu erhalten. Dazu müsste die Beprobung nicht in der Kläranlage, sondern an den einzelnen Sammelstellen erfolgen. Weitere Zielsetzung ist, die Anzahl der entnommenen Proben kurzfristig erhöhen zu können, um eventuelle Hot-Spot-Gemeinden rascher ausfindig zu machen.

Derzeit ist man mit Hilfe von Biostatistikern dabei, Möglichkeiten zu finden, um genauere Aussagen über den Verlauf der Pandemie machen zu können. „Die Situation ändert sich von Woche zu Woche. In einigen Kläranlagen zeigt sich eine Stabilisierung der Situation, in anderen nehmen die Virus-Spuren zu“, erklärt Alberta Stenico.

„Vor Beginn der Beprobungen haben wir das Test-Protokoll und die Methodik der molekular-biologischen Analysen erstellt“, erklärt Elisa Poznanski, Biologin des Biologischen Labors. Auch habe man sich bereits im Frühjahr 2020 mit den Experten der obersten italienischen Gesundheitsbehörde („Istituto Superiore di Sanità“) abgestimmt, um die Methodik zu verfeinern. Dort gibt es eine Arbeitsgruppe, die an einem italienweiten Projekt zur Abwasser-Analyse arbeitet. Und nicht zuletzt sei auch mit den österreichischen Behörden ein Austausch über die anzuwendende Methodik erfolgt. „Kontinuierlich arbeiten wir zudem mit der Universität Innsbruck zusammen, die an einem ähnlichen Monitoring wie in Südtirol arbeitet“, ergänzt Amtsdirektorin Stenico.

 

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