Seit 20 Jahren arbeitet die Agentur für Bevölkerungsschutz an der Gewässerbetreuung „Untere Ahr“. Eines von vielen Beispielen für nachhaltige Gestaltung beim Hochwasserschutz.

„Der Umgang mit den Flüssen betrifft die ganze Gesellschaft“, sagt Peter Hecher. „Was mich an meiner Arbeit fasziniert, ist die Verbindung von Natur, Mensch und Gesellschaft. Unser Anliegen ist es, einen Ausgleich zu schaffen, wieder in Dialog zu treten, gemeinsam zu schauen, wo es Probleme gibt, und Lösungen und Ergebnisse zu finden, von denen alle profitieren.“ Mit Kathrin Blaas und Nicola Marangoni ist der Gewässerökologe Hecher im Landeswarnzentrum in der Agentur für Bevölkerungsschutz verantwortlich für Flussraummanagement und Gewässerentwicklung.
Mit Hilfe des Entwicklungsplanes für die Fließgewässer konnten in Südtirol bereits Hunderte Revitalisierungsprojekte für Fließgewässer und Feuchtgebiete umgesetzt werden. „Die Aufweitung des Bachbettes ist die Königsdisziplin der Revitalisierung“, betont Biologin Blaas. So bekommen Fließgewässer Platz zurück. Und davon profitieren viele: die aquatische und terrestrische Biodiversität, das Grundwasser und nicht zuletzt die Menschen: Im Hochwasserfall wirken die Flächen als natürliche Rückhalteräume. Zudem können sie zur Naherholung genutzt werden.

 

Pilotprojekt Gewässerbetreuungskonzept Untere Ahr
„Die Untere Ahr ist ein Glücksfall“, unterstreicht Gewässerökologe Hecher, „das Gebiet ist seit jeher eine der schönsten Flusslandschaften Südtirols. Trotzdem hat sie Probleme, die man erst sieht, wenn man genauer hinschaut.“ Mit dem Gewässerbetreuungskonzept Untere Ahr hat die Agentur für Bevölkerungsschutz im Jahr 2000 das von der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie vorgeschriebene Flussraummanagement an der Unteren Ahr zwischen Mühlen in Taufers und Bruneck erstmals in Südtirol als Pilotprojekt angewandt.

 

„Die Nachhaltigkeit in unserem Tun besteht vor allem darin, dass wir im Wesentlichen mit der Natur arbeiten: Wir nutzen Flächen wieder so, dass sie nachhaltigen Hochwasserschutz für Siedlungsgebiete bringen.“

Peter Hecher

Naturnahe Flussräume bringen Vorteile für Mensch und Natur
„Wenn Flüsse zu wenig Platz haben, steigt das Hochwasserrisiko“, erklärt Hecher und erläutert es am Beispiel St. Georgen am Eingang ins Tauferer Tal: Vor 22 Jahren war die Gatzaue als größte Auwaldfläche im ganzen Tal nicht einmal von einem 150-jährigen Hochwasser betroffen. Das Ortsgebiet von St. Georgen dagegen wurde von einem 30-jährigen Hochwasser bedroht: So wurde etwa 1987 der linksseitige Ortsteil überflutet, denn dort waren natürliche Rückhalteflächen aufgrund der Schotterentnahme und damit der Eintiefung von der Ahr abgetrennt. „Die Überflutungssituation“, legt Hecher dar, „ist verdreht, wenn Ortsgebiete von Hochwasser bedroht sind und gleichzeitig Augebiete vertrocknen. Die zerstörerische Kraft des Wassers, die Überflutungsgebiete müssen weg von Siedlungsgebieten, hin zu Auflächen. Denn eine Au braucht Wasser und Dynamik.“

Im Flussraummanagement legen Fachleute und Interessensvertretungen auf der Grundlage umfangreicher Bestandsaufnahmen in einem gemeinsamen und partizipativen Prozess die Ziele für Hochwasserschutz, Gewässerökologie und Umlandnutzung fest. Die aktive Einbeziehung der Flussraum-Akteure – öffentliche und private Institutionen, Interessenvertreter, Gemeinden und direkt Betroffene – ist ein wesentlicher Aspekt des Beteiligungsprozesses.

„Flussaufweitungen erhöhen die Infiltration ins Grundwasser – und das ist der beste Wasserspeicher, der in Zukunft zunehmend an Bedeutung gewinnen wird“, erläutert Hecher: „Denn die Gletscher ziehen sich zurück, und die Ahr liegt in einem Gletschereinzugsgebiet. Die Tendenz zeigt, dass Südtirol sehr wohl ein Wasserproblem bekommen wird.“
„Seit 20 Jahren bin ich der Betreuer der Unteren Ahr“, freut sich Gewässerökologe Hecher: „Damit das Projekt gelingen kann, müssen verschiedene Akteure in die gleiche Richtung arbeiten, es braucht die Bereitschaft, den Dialog zu führen, das Gemeinsame zu suchen und zu leben. Nachhaltig ist vor allem auch, wenn man gegensätzliche Nutzungsansprüche abstimmt und einen gemeinsamen Weg findet, der eine viel bessere Entwicklung ermöglicht, als wenn Einzelinteressen durchgedrückt werden.“ Das Gewässerbetreuungskonzept Untere Ahr zeigt, dass dies gelingen kann.

„Neben der Wiedergewinnung von bedrohten Feuchtlebensräumen arbeiten wir im Sinne der Nachhaltigkeit, indem wir das kostbare Gut Wasser wieder in der Landschaft behalten, anstatt es in kanalisierten Abflussgerinnen möglichst schnell aus dem Gebiet zu bringen.“

Peter Hecher

https://www.provinz.bz.it/sicherheit-zivilschutz/wildbach/downloads/20_Untere-Ahr_Basso-Aurino-web.pdf

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