Lange galt es als unmöglich: Sein Geld gleichzeitig nachhaltig, aber auch gewinnbringend anzulegen. Inzwischen ist das in Südtirol gut möglich, erklärt Professor Alex Weissensteiner von unibz.
Prof. Weissensteiner lehrt quantitative Finanzwirtschaft an der unibz.

Unter der Leitung des Landes haben Fachleute in den vergangenen Monaten Möglichkeiten gesammelt, wie Menschen in Südtirol ihre Umweltbelastung verringern oder ganz beseitigen können. Die möglichen Schritte erläutert Professor Alex Weissensteiner, Prorektor für Lehre und Professor für quantitative Finanzwirtschaft an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Freien Universität Bozen, im Interview.

 

Herr Professor Weissensteiner, wie können wir unsere wirtschaftlichen Ressourcen nachhaltig anlegen?

 

Es gibt drei Aspekte der Nachhaltigkeit, die man beachten sollte, wenn man ethisch in Nachhaltigkeit investieren möchte, und die Südtiroler Kreditinstitute haben geeignete Finanzinstrumente dafür: Der erste der drei zu berücksichtigenden Aspekte ist die ökologische Nachhaltigkeit, d. h. die Auswirkung jener Aktivitäten, in die investiert wird. Der zweite Aspekt betrifft die soziale Nachhaltigkeit, also ob wir Produktionsprozesse unterstützen, die beispielsweise Arbeitende ausbeuten oder diskriminieren. Schließlich ist auch die Nachhaltigkeit der Governance wichtig, denn sie ist ein Signal dafür, dass sich auch Institutionen oder Unternehmen in die unter dem Begriff „Environmental, Social und Corporate Governance (ESG)“ zusammengefasste Richtung bewegen.

 

Wie kann sich jemand bei einer Investition sicher sein, dass all diese Aspekte beachtet werden? 

 

Sich von einem Experten beraten zu lassen, ist in so einem Fall die beste Lösung. Der Vorteil für die Südtiroler Sparer ist, dass es hier bereits ein breites und entwickeltes Angebot an ethischen und nachhaltigen Sparprodukten gibt. Gerade auch deshalb wollen wir eine Koordination des gesamten aktuellen Angebots schaffen, um denjenigen, die investieren wollen, einen umfassenden und detaillierten Überblick zu bieten, und zwar über den bloßen Sofortgewinn hinaus. Im Allgemeinen gilt es, drei Regeln zu beachten: Erstens braucht es eine personalisierte Beratung, da jeder andere Möglichkeiten und Bedürfnisse hat; zweitens muss das Portfolio diversifiziert werden und schließlich ist für eine Beteiligung ein mittel- oder langfristiger Zeitrahmen von zehn oder mehr Jahren zu berücksichtigen, um mögliche Risiken zu amortisieren.

Junge Generation sollen nicht erzogen, sondern angehört werden.

Mehr als der rein wirtschaftliche Gewinn sollte das Wohlergehen des Planeten auch von internationalen Rating-Agenturen als Vorteil angesehen werden. Gehen wir in diese Richtung? 

 

Dieser Trend hält Einzug und die Zahlen zeigen es. Waren 1993 nur zwölf Prozent der 100 größten Unternehmen der Welt sensibel für Umweltthemen, so beträgt dieser Anteil heute 75 Prozent. Die Werte der Unternehmen haben sich verändert und dies spiegelt sich auch in einem höheren Wohlbefinden der Mitarbeiter wider, die sich stärker mit dem Unternehmensauftrag identifizieren. In diesem Sinne soll die junge Generation nicht erzogen, sondern angehört werden, denn die jungen Leute werden so zu Trägern von Inhalten und Ideen, die uns „Erwachsene“ inspirieren können, insbesondere wenn es um ein Umdenken des Lebensstils geht. Viele von ihnen sind bereits umweltfreundlich ohne Auto unterwegs oder treffen ähnliche nachhaltige Entscheidungen, die für unsere Generation sehr seltsam gewesen wären. Diese Dynamik wird von den Ratingagenturen bereits registriert. So geht man daran, beispielsweise neben dem finanziellen Risiko einer Investition auch das Umweltrisiko zu bewerten. 

 

In welchen Bereichen kann Südtirol mehr daraufsetzen, eine „grüne“ Wirtschaft zu entwickeln? 

 

In Südtirol sind viele Branchen bei diesem Thema bereits sehr sensibel und voraus, beispielsweise Landwirtschaft und Tourismus.  Noch mehr als die lokale Ebene betrifft das Thema die globale Politik, denn wir stehen derzeit vor globalen Ungleichheiten, sowohl bei der Ausbeutung von Ressourcen als auch bei den Umweltauswirkungen. Ohne mehr Gerechtigkeit im Bereich kann auch die lokale Politik wenig bewirken. Südtirol tut bereits viel, und in den vergangenen beiden Legislaturperioden hat sich in dieser Hinsicht wirklich einiges verändert. Es braucht Mut und Entschlossenheit, aber wir können sagen, dass wir den richtigen Weg eingeschlagen haben, einen Weg, der sich quer durch alle Wirtschafts- und Nicht-Wirtschaftsbereiche zieht und genau auf den Wandel von Haltung und Kultur abzielt, von dem ich vorhin gesprochen habe. 

 

Können Sie die Facetten der Nachhaltigkeit auf lokaler Ebene, die Sie zuvor angesprochen haben, näher definieren? 

 

Ein für Südtirol sehr wichtiges Thema betrifft zum Beispiel Nachhaltigkeit im sozialen Bereich insbesondere im Hinblick auf die Demografie, da wir uns immer stärker in Richtung einer Umkehrung der Demografie-Pyramide bewegen: Es wird erwartet, dass 2050 zehn Prozent der Bevölkerung über 80 Jahre alt ist und wir müssen uns jetzt darum kümmern. Im Bereich der öffentlichen Mobilität hingegen ist schon viel getan worden und der Kulturwandel wird auch das Bildungswesen und alle anderen Bereiche des gesellschaftlichen Lebens betreffen. 

 

Einige Anleger befürchten, dass die Renditen geringer ausfallen, wenn bei der Auswahl der Vermögenswerte ethische Regeln befolgt werden. Sie haben recht? 

 

Tatsächlich ist die Gefahr weitaus größer, als einfach nur Geld zu verlieren, wenn wir unsere Ressourcen nicht in diese ethischen Produkte investieren und uns nicht darauf konzentrieren, wenn wir entscheiden. Das ökonomisches Risiko ist, wie gesagt, nicht mehr vom Umweltrisiko getrennt, und deshalb zeigen die Studien der vergangenen25 Jahre, dass „grüne“ Investitionen in der Realität oft nicht nur bezüglich des Gewinns den anderen Arten von Investitionen gleichgestellt sind, sondern auch in der Zeit sehr stabil sind und so für mehr Sicherheit sorgen. 

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