„A crisis is a terrible thing to waste“, sagt der Nobelpreisträger 2018 für Wirtschaftswissenschaften, Paul Romer: Es wäre schlimm, wenn wir nichts aus Krisen lernen würden. Romer kam zu der Erkenntnis, dass technologische Innovationen in die langfristige makroökonomische Analyse zu integrieren seien, da sie die Voraussetzung für langfristiges Wachstum sind. Die Wahrheit, die hinter dieser Aussage steckt, zeichnet sich auch hier bei uns in Südtirol ab: Viele heimische Unternehmen haben sich in der Corona-Krise neu erfunden, haben ihr Wirtschaftsmodell geändert, neue Lösungen ausgeklügelt, innovative Serviceleistungen aus dem Nichts gezaubert, um den veränderten Umständen in der Krisenzeit gerecht zu werden. Flexibilität und Resilienz – ein Blick auf die Webseiten des NOI Techparks –   zeigt couragierte und engagierte Unternehmerinnen und Unternehmer, die aktiv auf die Krise reagiert haben und mit ihrem Beispiel weitere Wirtschaftsakteure inspirieren.

 

So war das Südtiroler Unternehmen Tendsystem GmbH aus Lana vor der Pandemie auf Industriezelte und PVC-Bedachungen für öffentliche Events spezialisiert; durch den Covid-19-Notstand kam es bei der Firma zu dem, was man im Fachjargon „Shaping Change“ nennt, ein Veränderungsprozess, in dessen Verlauf neue Produkte kreiert wurden.

Eine ganz neue Linie entstand: Tendprotect, mit modularen Trennwänden aus PVC, Desinfektionsstationen und Besucherkabinen für Altenheime. Doch diese innovative Idee war noch nicht alles: Mithilfe der Unterstützung des NOI-Techpark-Fachteams und anhand der Recherchen des Zukunftsinstituts gelang es dem Unternehmen, ganz neue Wege auf einem stark veränderten Markt einzuschlagen und neue Lösungen zu entwickeln.

Innovation lautet das Gebot der Stunde auch bei der Firma Niederstätter, die auf den Container- und Baukran-Verleih spezialisiert ist. Im vergangenen März wurden die Container mit zwei separaten Türen ausgestattet, ihr Inneres wurde zum Besuchsraum umfunktioniert und dieses innovative Objekt wurde dann unentgeltlich als Covid-freies Besuchszentrum Altenheimen zur Verfügung gestellt, dem Lorenzerhof in Lana und dem Pilsenhof in Terlan. Dank Niederstätters innovativer Idee konnten, die bis dahin isolierten Heimbewohnenden zumindest für kurze Zeit wieder Normalität erleben. „Wir sind als Unternehmen sehr stolz darauf, dass viele Familien dank den Containern ihren Angehörigen nahe sein konnten, und dass wir ihnen in diesen schwierigen Zeiten auf diesem Weg zu ein wenig Normalität und Freude verhelfen konnten“, so Manuel Niederstätter.

Unternehmensgrundsätze werden manchmal unter den seltsamsten Umständen überdacht. Der Bozner Wasserspringer Maicol Verzotto, der mit seinem ersten Start-up-Unternehmen Functional Gums koffeinhaltige Kaugummis herstellt, lancierte kürzlich Functional Medical Division zur Produktion einer Million von Atemschutzmasken pro Woche, eine zu Beginn der Pandemie besonders wichtige Initiative, als die individuellen Schutzvorrichtungen Mangelware oder sogar unauffindbar waren. „Damals hatten wir zwei Möglichkeiten“, sagt Verzotto, „warten, bis der Sturm vorbei ist, oder versuchen, uns ganz neu aufzustellen.“ Laut Verzotto leben wir in einer Zeit des Umbruchs: „In einer Krise wie dieser werden die Karten neu gemischt. Es überleben die widerstandsfähigen Unternehmen, jene, denen es gelingt, sich neu zu erfinden, sich zu verändern. Sicherlich haben Start-up-Unternehmen Start unter diesem Aspekt gegenüber den großen Unternehmen einen Vorteil.“

Effektiv trifft es Traditionsbetriebe diesmal härter, denn es fällt ihnen schwerer, sich neu zu erfinden. Bislang gab es finanzielle Unterstützung des Landes. Zu den alteingesessenen Betrieben zählt beispielsweise die Aurum OHG, seit fast dreißig Jahren eine regelrechte Institution in der Fußgängerzone von Schlanders ist.

„Dank der Covid-Hilfen der Landesabteilung Wirtschaft konnten wir unsere Miete weiterbezahlen und uns auf den Beinen halten. Sicher – nach drei Monaten, in denen alles komplett dicht war, ohne den gewohnten Fremdenverkehr, ist für einen Traditionsbetrieb wie den unseren ein Ende der Krise noch nicht in Sicht. Wenn wir aber weiterhin zusammenhalten, uns innerhalb der Gemeinschaft gegenseitig unterstützen und respektieren, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung der Regeln zur Eindämmung der Ansteckungsgefahr, können wir es schaffen“, sagt der Inhaber des Vinschger Betriebs.

Mancher bürokratischen Hürde zum Trotz haben die Beihilfen des Landes den Firmen geholfen, die weiterlaufenden Betriebskosten während der coronabedingten Schließungen zu stemmen. „Die Umstände sind nicht gerade rosig – neben den objektiven Schwierigkeiten des Wirtschaftssystems insgesamt müssen wir nun auch noch mit der Unsicherheit klarkommen, wann ein Neustart effektiv möglich sein wird. Aber wir bemühen uns, mit Zuversicht nach vorne zu schauen, positiv zu denken und uns vorzustellen, wie unser Bereich in der Zukunft ausschauen könnte“, versichert uns Paul Gorfer, 42 Jahre, Inhaber der Werbeagentur Gorfer aus St. Lorenzen.

Bereits im März 2020 hat der Handels- und Dienstleistungsverband Südtirol versucht, die heimischen Produktionsbetriebe bei der Vermarktung ihrer Produkte zu unterstützen: Unter dem Hashtag südtirolkauftlokal – wurde eine Plattform geschaffen, über die 200 Geschäfte in 70 Gemeinden seit einem Jahr ihre heimischen Produkte frei Haus liefern. „Die Verantwortlichen zahlreicher Einzelhandelsbetriebe haben im vergangenen Jahr die Ärmel hochgekrempelt und sich so organisiert, dass sie diesen Lieferservice aufrechterhalten können. Wir tun alles, um sie dabei zu unterstützen“, erklären Verbandspräsident Philipp Moser und Vizepräsident Sandro Pellegrini. Meist handelt es sich um Familienbetriebe, deren Erfolg gerade auf ihrer Nähe zur Kundschaft und der persönlichen Betreuung fußt. Durch die Hauslieferungen bleibt die Kundennähe aufrecht, lässt der Verband verlauten. „Dieser Mehrwert ist während der Krise von unschätzbarer Bedeutung und wird von der Bevölkerung sehr geschätzt“, so die Verbandsspitze.

Auch Stephen Tierney konnte während des Lockdowns die Geschäftstätigkeit seines Vegan-Catering-Services Rocking Beets ausbauen: Wer hat die Kuriere noch nicht gesehen, die auf ihren Transport-Fahrrädern Biofood in wiederverwendbaren Behältern zur Kundschaft bringen? Dank dieser Formel erhielten Stephen und seine Frau Petra Putz im Jahr 2019 den Südtiroler Mobilitätspreis als Beispiel für einen in jeder Hinsicht nachhaltigen Betrieb. Die Bilanz spricht für sich: 25.000 ausgelieferte Mahlzeiten, über 15.000 Radkilometer, bei einer Kohlendioxidreduktion, verglichen mit einem Kraftfahrzeug, von vier Tonnen. Hinzu kommt die rigorose Verwendung wiederverwendbarer Behälter, wodurch wiederum 600 Kilo Verpackungsmaterial eingespart wurden. Neue Ideen können also, wenn sie wirklich gut sind, allen Schwierigkeiten zum Trotz und auch unter widrigen Bedingungen, zum Erfolg führen.  

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