Wenn Südtirols Schulen heute autonome Schulen sind, wenn das Land die Ausbildung des Lehrpersonals selbst regeln kann und diese Ausbildung in Südtirol möglich ist, wenn die Vertragsverhandlungen für das Lehrpersonal in Südtirol geführt werden, dann sind das Auswirkungen des Zweiten Autonomiestatuts.

Wer heute in Europa von muttersprachlichem Unterricht spricht, der bezieht sich zumeist auf Bildungsmaßnahmen für Kinder mit Migrationshintergrund. Das kommt auch in Südtirol vor, wo der Unterricht in der Muttersprache für die deutsche Minderheit zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Doch noch vor einigen Jahrzehnten sah die Lage ganz anders aus. Nach dem Zweiten Weltkrieg galt es, das Schulsystem in Südtirol wiederaufzubauen. Wie dies geschehen sollte, war durchwegs umstritten. So sprachlich beispielsweise Alcide Degasperi im Ministerrat gegen eine ausschließliche Verwendung deutschsprachiger Lehrpersonen in den Schulen für die deutsche Minderheit aus. Eine internationale Garantie für eine deutschsprachige Schule ist im Pariser Abkommen von 1946 verankert. Das Erste Autonomiestatut sprach Südtirol sekundäre Gesetzgebungsbefugnis für Kindergarten und Schule zu, allerdings wurden keine Durchführungsbestimmungen zum Schulwesen erlassen, sodass die Schulautonomie kaum umgesetzt werden konnte.

 

Die Schule spiegelt den Wandel in Gesellschaft, Wissenschaft und Technologie wieder. Die Autonomie eröffnet Handlungsmöglichkeiten, um den Veränderungen Rechnung zu tragen.

Erst das Zweite Autonomiestatut leitete ab 1972 eine schrittweise Entkoppelung des Südtiroler Schulwesens von den staatlichen Vorgaben ein, die bis dahin den ausschließlichen Rahmen für das Bildungssystem gebildet hatten. Dem Land Südtirol wurde zunehmend Gestaltungsfreiraum für das Schulsystem eingeräumt. Es erhielt primäre Gesetzgebungsbefugnis für die Kindergärten, die Schulfürsorge, den Schulbau und die Berufsbildung. Bis 1972 war der Staat für die Schulverwaltung, die Schulämter samt Personal und Liegenschaften zuständig gewesen. Zudem ging ein Großteil der Verwaltungskompetenzen ans Land über. Am 16. September 1975 wurden die Landesschulämter eingesetzt. 1987 wurden die Pädagogischen Institute errichtet, heute Pädagogische Abteilungen, die für Fortbildung, pädagogische Forschung und Schulentwicklung zuständig sind. Der Landesregierung wurde die Ernennung des Landesschulrats übertragen. Im Einvernehmen mit dem Unterrichtsministerium entscheidet sie über die Errichtung oder Schließung von Schulen und plant die Lehrerfortbildung.

Auf der Grundlage des Zweiten Autonomiestatuts konnte Südtirol seinen Handlungsspielraum ausbauen.

Die Bemühungen um mehr Schulautonomie dauerten auch nach der Streitbeilegungserklärung von 1992 an. Mit der Durchführungsbestimmung Nr. 434, die auch als „Schule zum Land“ bezeichnet wurde, delegierte der Staat 1996 die Zuständigkeit für die rund 8000 Lehrpersonen der deutschen, italienischen und ladinischen Schulen an das Land. So kann das Land eigene Kollektivverträge für das Direktions-und Lehrpersonal aushandeln, und somit sowohl das Dienst-als auch das Besoldungsrecht, vorbehaltlich der Zustimmung des Unterrichtsministeriums, eigenständig regeln. Das Land wurde auch zur Änderung von Lehr-und Prüfungsplänen sowie der Unterrichtszeiten per Landesgesetz befähigt.

2018 trat eine weitere Durchführungsbestimmung in Kraft, die für Südtirols Schulwesen von Bedeutung ist: Demnach kann das Land im Einvernehmen mit der 1997 gegründeten Freien Universität Bozen und dem Konservatorium die Ausbildung des Lehrpersonals für alle Schulstufen und alle Sprachgruppen selbst regeln, Studienplätze festlegen und Zugangsmodi definieren. Die Abschlüsse der Ausbildungen und die Spezialisierungen, die von der Universität und dem Konservatorium in diesem Zusammenhang durchgeführt werden, beziehungsweise die erlangten Studientitel sind italienweit gültig.

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